„Zusammen weinen wir“
Virtuose der kleinen Dinge – Zum Tod von The-Script-Gitarrist Mark Sheehan
Trauer um einen Meister des geschliffenen Popsongs: Mark Sheehan, Gitarrist und Songwriter der irischen Band The Script, starb am 14. April im Alter von nur 46 Jahren.
Quelle: picture alliance / empics
Die Popwelt trauert um Mark Sheehan – der Gitarrist von The Script starb im Alter von nur 46 Jahren. Mit seinem Jugendfreund Danny O’Donoghue schuf der Ire seit 2008 Hits aus Pop, Soul, Rap und Rock. Dabei verstand sich der „Motor von The Script“ nie als Popstar, sondern stets als Diener der Band und des Songs.
„Zusammen weinen wir“ – der erste Singlehit von The Script war ausgerechnet ein Trauerlied um Menschen, die in ihren Hoffnungen und Ambitionen vom Leben überrollt worden waren. Ein schnarrender Beat ist zu Beginn zu hören, das Lied über die Schicksale von Jenny, John und Mary hat einen souligen Körper, der Sänger mit der Ganz-großes-Gefühl-Stimme hängt zwischen Singen und Rappen, ein bisschen so wie man’s von Ed Sheeran kennt: „Zusammen weinen wir“ – mit diesen Worten von Sänger Danny O’Donoghue beginnt „We Cry“, das im April 2008 zu Hause in Irland in die Top Ten stieg, in Deutschland auf dem für Debütanten respektablen Platz 61 anhielt.
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Womit „We Cry“ noch glänzte: Da war diese funkelnde, dezent funkige Gitarre, die erst am Ende richtig aufscheinen durfte, bevor der Song dann mit Krankenwagensirenen verebbte – das erste kleine Juwel von vielen im Werk von Mark Sheehan. Am Freitag (14. April) ist der The-Script-Gitarrist überraschend gestorben – mit nur 46 Jahren, wie die britische Tageszeitung „The Guardian“ und andere Medien vermeldeten.
Die Keimzelle von The Script lag im Dubliner Traditionsviertel Liberties
In den sozialen Medien gab sich die Band bedeckt. Ein kurzes Statement war bei Facebook zu finden. „(Unser) überaus geliebter Ehemann, Vater, Bruder, Bandkollege und Freund Mark Sheehan ist heute nach kurzer Krankheit im Krankenhaus verstorben.“ Mehr gab es nicht an Information. „Die Familie und die Band bitten die Fans, ihre Privatsphäre in dieser tragischen Zeit zu respektieren.“ Sheehan hinterlässt drei Kinder und seine Frau Reena.
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Mytown - Vertrag bei Universal nach nur einem Song
Sheehan und O’Donoghue stammten aus dem alten, kulturreichen Viertel The Liberties der irischen Hauptstadt Dublin. Sheehan lehrte Hip-Hop-Tanz an der Dubliner Digges Lane Performing Arts School, als er 1996 für die Boygroup Mytown rekrutiert wurde. Befreundet, seit sie 12 Jahre alt waren, holte Sheehan O’Donoghue in die Band. Ein Auftritt vor dem Universal-CEO Doug Morris in New York brachte Mytown schon nach der Hälfte des ersten Songs, so will es die Legende, einen Plattenvertrag. Die erste große Karrierechance endete allerdings früh in Konzernwirren. Als Universal Records das Label Cherry Entertainment fallen ließen, wurden auch Mytown aus dem Vertrag entlassen.
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2001 gründeten Sheehan und O’Donoghue dann mit Schlagzeuger Glen Power The Script, um einen eigenen Sound aus R’n’B und Hip-Hop zu kreieren, wiewohl die irische Heimat ihrer Meinung nach mehr an Folk und Rock’n’Roll interessiert war. Rockismen fanden sich später aber auch noch im Sound der Band, wie man an Songs wie „Freedom Child“ oder „Divided States of America“ hören kann.
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Ähnlich wie bei den ebenfalls geschliffenen Produktionen der amerikanischen Imagine Dragons und One Republic oder der englischen Coldplay zielen die extrem melodieseligen Songs von The Script unzweideutig auf Chartserfolg – die bislang sechs Alben enthalten Musik für die Massen, immer mit einem Hauch Boygroup-Pop im Sound. Ihr „Superheroes“ (2014) könnte Ex-Beatle Paul McCartney zu dessen Single „Fuh You“ (2018) inspiriert haben.
Sänger O’Donoghue sah Sheehan als den „Motor von The Script“
O’Donoghue sah seinen Freund Sheehan – so ist es in der Onlineausgabe des amerikanischen „Rolling Stone“ zu lesen – stets als „Motor von The Script“. Sheehans akustische Wehmut zu „I’m Yours“ oder „Hot Summer Nights“, das perlende Gepräge von „Love Not Lovers“, die schlitternd-schimmernden Kenntöne von „If You Don’t Love Yourself“ – all das wird denn auch bleiben. Sheehan war ein Gitarrist nicht in eigener Sache, sondern einer, der den kleinen, aber markanten, schmückenden Momenten wie in „Wonders“, „Breakeven“ oder The Scripts größtem Hit „Hall of Fame“ (einem Duett mit Will.i.am von den Black Eyed Peas) den Vorzug gab gegenüber kunstvollen, ausladenden Soli.
Sheehan, der Virtuose der kleinen Dinge, verstand sich als Diener der Songs, spielte so kraftvoll wie bescheiden, bevorzugte schlichte Phrasierung und das „strumming“ genannte Schlaggitarrenspiel.
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Seine Entscheidung, die Band zeitweilig zu verlassen, 2022 nicht an der US-Tour teilzunehmen, um mehr Zeit mit seiner Familie zu verbringen, wird jetzt als Vorzeichen der tödlichen Krankheit gewertet. Aber danach hatte sich Sheehan wieder zu gemeinsamen Konzerten in Irland eingeklinkt. Es gab kein offzielles Ausscheiden des Musikers, für den Sommer waren (und sind) The-Script-Konzerte vorgesehen, auch in Deutschland – als Anheizer für die Open-Airs der „Summer Carnival 2023“-Tour von US-Kollegin P!nk in Berlin (28. Juni), München (5./6. Juli). Köln (8./9. Juli) und Hannover (12./13. Juli).
Trauertweets: „Die Musik wird dich nach Hause tragen, Mark“
Die irische Kulturministerin Catherine Martin kondolierte der Familie und den Bandkollegen. „Mark, du wirst vermisst werden“, schrieb One-Republic-Sänger Ryan Tedder auf Twitter und nannte Sheehan „einen der liebenswürdigsten und echtesten Leute, mit denen ich je das Vergnügen hatte zu touren“. „Mark war einer von den Guten“, postete auch der frühere Westlife-Frontmann Brian McFadden. Und der einstige Boyzone-Sänger Mikey Graham, dessen Bandkollege Stephen Gateley 2009 im Alter von nur 33 Jahren gestorben war, schrieb: „Du hast der Welt diese Musik gegeben, sie wird dich nach Hause tragen, Mark.“
Zeilen des Abschieds im Werk von The Script
„Wo ist das Gute im Goodbye“, hieß es 2014 im schwelgerischen „No Good in Goodbye“. Und im hymnischen „The Energy Never Dies“ aus demselben Jahr singt O‘Donoghue traurig, tröstlich und hoffnungsvoll zugleich: „Wenn du weißt, dass deine Tage gezählt sind / Und du schaust in meine Augen / Dann ist das nicht das Ende, denn die Energie stirbt nie“. Das Werk von The Script ist durchzogen von Abschiedsversen, die sich – wenngleich der eigentliche Bezug natürlich ein anderer ist – zu einem bewegenden Gedenkkonzert für Mark Sheehan fügen würden.
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Am anrührendsten aber bleibt „We Cry“, das Lied, das dem Trio 2008 die Chance bot, sich loszusagen von Epigonentum, etwas Eigenes zu schaffen: „Ich bin es leid, nach diesen Helden im Himmel zu suchen, die uns das Fliegen lehren“, sang O‘Donoghue damals. So spielten The Script sich frei, wurden selbst zu Helden mit Nummer-eins-Hits und Nummer-eins-Alben. Und richten heute den Blick vielleicht doch noch einmal Richtung Himmel.